Stellvertretung nach iranischem Recht
Frage: Wäre der Geschäftsführer und Vorstand einer iranischen Gesellschaft berechtigt, im eigenen Namen Ansprüche aus einem Kaufvertrag, den die Gesellschaft geschlossen hat, geltend zu verlangen?
Antwort: Weder das Handelsgesetzbuch Irans (im Folgenden „HGB“) noch das Zivilgesetzbuch Irans (im Folgenden „ZGB“) räumen dem Geschäftsführer und Vorstand einer Gesellschaft das Recht ein, Ansprüche der Gesellschaft im eigenen Namen geltend zu machen und Zahlung an sich zu verlangen. Die Ansprüche aus einem Kaufvertrag können grundsätzlich nur im Namen der Gesellschaft geltend gemacht werden.
Frage: Falls nein: Würde eine durch die übrigen Gesellschafter der Gesellschaft abgegebene Abtretungserklärung den Anforderungen des iranischen Rechts an eine Abtretung genügen?
Antwort: Gemäß Art. 292 Abs. 3 ZGB kann der Gläubiger die Forderung auf eine dritte Person abtreten, so dass die Gesellschaft die Forderung grundsätzlich abtreten kann. Gemäß Art. 118 HGB obliegt die Vertretung der Gesellschaft dem Geschäftsführer. Die durch die übrigen Gesellschafter abgegebene Erklärung entfaltet im Außenverhältnis keine Wirkung.
Frage: Gibt es im iranischen Recht auch eine tatsächliche Vermutung dahingehend, dass bei unternehmensbezogenen Geschäften der Handelnde im Zweifel für das Unternehmen aufgetreten ist?
Antwort: Gemäß Art. 5 HGB gelten Handelsaktivitäten eines Kaufmanns als unternehmensbezogen, es sei denn, dass das Gegenteil bewiesen wird.
Frage: Nach welchen Regeln richtet sich die Stellvertretung bzw. das Handeln für einen anderen im iranischen Recht?
Antwort: §§ 395-400 HGB regeln das Rechtsinstitut der Prokura bzw. Handlungsvollmacht im iranischen Handelsrecht. Im Übrigen verweist Art. 401 HGB für die Stellungvertretung bei unternehmensbezogenen Geschäften auf die allgemeinen Regeln über die Stellvertretung. Die allgemeinen Regeln über die Stellvertretung sind in Art. 656-683 ZGB geregelt.
Frage: Muss im iranischen Recht ein Handeln in fremdem Namen ausdrücklich erklärt werden oder kann dies auch – wie im deutschen Recht gemäß § 164 Abs. 1 S. 2 BGB – auch konkludent geschehen?
Antwort: Gemäß Art. 196 ZGB wirkt ein Vertrag für und gegen den Vertragsschließenden, es sei denn, dass dies zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ausgeschlossen oder später das Gegenteil bewiesen wird. Im Umkehrschluss zur Alternative 2 wird angenommen, dass eine Vertretung auch konkludent nach Verhalten des Erklärenden und ähnlichen Umständen erfolgen kann. Beweisbelastet bei einer konkludenten Vertretung ist die Vertragspartei, welche sich auf die Vertretung beruft.
Frage: Richtet sich die Frage, ob der Handelnde in fremdem oder in eigenem Namen aufgetreten ist, im iranischen Recht auch nach dem objektiven Empfängerhorizont?
Antwort: Die Rechtsgrundlagen über die Vertretung im iranischen Zivilrecht sehen für die Auslegung der Willenserklärung keine eigenständigen Regeln vor, so dass hierzu auf die Regeln über allgemeines Schuldrecht zurückzugreifen ist. Die Auslegung von Willenserklärungen richtet sich nach Art. 191 ff. ZGB. Gemäß Art. 191, 194 ZGB kommt ein Vertrag durch eine Willenserklärung zustande, wenn der Erklärungsempfänger das vom Erklärenden beabsichtigte Angebot annimmt. Die überwiegende Meinung in der Literatur und die Rechtsprechung leiten hieraus die Willenstheorie ab. Der gemeinsame Wille der Parteien, der von dem äußeren Erklärungsgehalt abweicht, ist vorrangig. Gemäß Art. 224 ZGB ist bei Auslegungszweifeln derjenige Auslegungsvariante der Vorzug zu geben, die eher den lokalen Gebräuchen entspricht.
Frage: Kennt auch das iranische Recht eine Unterscheidung zwischen einem Vertreter, der in fremdem Namen handelt, und einem Repräsentanten/Vertragshändler, der in eigenem Namen handelt?
Antwort: Im iranischen Handelsrecht wird zwischen unselbständiger und selbständiger Unternehmensvertretung unterschieden. Als unselbständige Vertreter werden Personen bezeichnet, welche im Namen und auf Rechnung des eigenen Handelsunternehmens auftreten, darunter fallen insbesondere Vorstände, Geschäftsführer, Prokuristen, Niederlassungsleiter, Handelsvertreter und Handlungsbevollmächtigten im Rahmen der ihnen erteilten Vollmacht. Unter selbständiger Vertretung fallen Vertragshändler, welche als selbständige Kaufleute aufgrund vertraglicher Verpflichtung im eigenen Namen für eigene Rechnung Waren eines oder mehrerer bestimmter Hersteller bzw. Lieferanten vertreiben.
Im HGB ausdrücklich geregelt sind die Rechtsinstitute des Maklers (Art. 335 ff HGB), des Kommissionärs (Art. 357 ff HGB) und der Prokura (Art. 395 ff HGB). Art. 335 HGB bezeichnet den Makler als Vermittler einer Gelegenheit zum Abschluss von Verträgen, der im Erfolgsfall Maklerlohn erhält. Kommissionär ist nach der Definition des Art. 357 HGB, wer Transaktionen für Rechnung eines Dritten in eigenem Namen durchführt. Als Prokurist wird der Leiter eines Handelshauses, einer selbständigen oder unselbständigen Niederlassung bezeichnet, der durch Handlungsvollmacht zum Abschluss von Verträgen für das Unternehmen berechtigt ist. Die Prokura kann gem. Art. 395 Satz 2 HGB schriftlich oder konkludent erteilt werden und ist auch ohne eine Eintragung im öffentlichen Amtsblatt wirksam.
Frage: Würde das iranische Recht an eine Vollmacht zum Abschluss eines grenzüberschreitenden Kaufvertrags über eine Arbeitsmaschine besondere Anforderungen wie z.B. Schriftform oder Ähnliches stellen?
Antwort: Die Vollmacht zum Abschluss eines grenzüberschreitenden Kaufvertrags über eine Arbeitsmaschine unterliegt nach iranischem Recht keiner besonderen Form.
Frage: Gibt es im iranischen Recht die Rechtsinstitute der Duldungsvollmacht und/oder der Anscheinsvollmacht oder vergleichbares? Wenn ja: Welche Voraussetzungen bestehen nach iranischem Recht für eine Duldungsvollmacht und/oder eine Anscheinsvollmacht?
Antwort: Im iranischen Recht existiert das Rechtsinstitut der Duldungsvollmacht nicht. Das Rechtsinstitut der Anscheinsvollmacht ist nicht gesetzlich geregelt, wird aber in der nachfolgend beschriebenen Form aus der Auslegung des Art. 680 ZGB anerkannt.
Gemäß Art. 680 ZGB wirken Handlungen, die ein Vertreter vor Zugang des Widerrufs der Vertretungsmacht innerhalb der ihm eingeräumten Vollmacht vornimmt, für und gegen den Vertretenen. In der Literatur wird hierfür das Rechtsinstitut der Anscheinsvollmacht angenommen und auch die Rechtsprechung erkennt dieses Rechtsinstitut an, ohne es jedoch bisher ausdrücklich in ihren Urteilen zu erwähnen.
Die Anscheinsvollmacht im iranischen Recht setzt entsprechend Art. 680 ZGB zwingend eine in der Vergangenheit erteilte Vertretungsmacht voraus. Insoweit unterscheidet es sich im Wesentlichen mit dem Rechtsinstitut der Anscheinsvollmacht im deutschen Recht.
Frage: Würde es für die Annahme einer Anscheinsvollmacht ausreichen, wenn der Handelnde wiederholt Geschäftspapiere oder Firmenstempel des ,,Vertretenen“ verwendet und dieser das Handeln des Scheinvertreters bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen können?
Antwort: Allein die Verwendung von Geschäftspapieren und Firmenstempel des „Vertretenen“ reichen für die Annahme der Anscheinsvollmacht im iranischen Recht nicht aus, da dieses Rechtsinstitut – wie oben unter Ziffer 9 ausgeführt – zwingend eine in der Vergangenheit erteilte Vertretungsmacht voraussetzt.
Zusatzfrage: Würde sich an der Antwort etwas ändern, wenn zusätzlich unterstellt würde, dass der Geschäftsführer des „Vertretenen“ in einer Besprechung gegenüber dem Geschäftspartner mündlich ausdrücklich bestätigt habe, dass der „Vertretene“ durch den Handelnden als ihren „Projektleiter“ vertreten werde und dieser sich für sie um die Abwicklung vor Ort kümmern bzw. dem Geschäftspartner als Ansprechpartner zur Seite stehen würde?
Antwort: Gemäß Art. 658 ZGB unterliegt die Erteilung einer Vertretungsmacht keiner besonderen Form und sie umfasst nach Art. 671 ZGB grundsätzlich begleitende und vorbereitende Handlungen.
Frage: Ist ein Gesellschafter nach iranischem Recht berechtigt, Ansprüche einer „privaten Aktiengesellschaft“ nach iranischem Recht im eigenen Namen und für eigene Rechnung geltend zu machen, wenn er an dieser 99,99% der Anteile hält?
Antwort: Weder das Handelsgesetzbuch Irans (im Folgenden „HGB“) noch das Zivilgesetzbuch Irans (im Folgenden „ZGB“) räumen dem Mehrheitsgesellschafter einer Gesellschaft das Recht ein, Ansprüche der Gesellschaft im eigenen Namen geltend zu machen und Zahlung an sich zu verlangen. Dies gilt auch dann, wenn der Gesellschafter nahezu alle Anteile an einer Gesellschaft hält. Die Gesellschaft ist eine eigenständige juristische Person und ihre Ansprüche aus dem Kaufvertrag können grundsätzlich nur im Namen und auf Rechnung der Gesellschaft geltend gemacht werden.
Frage: Ist nach iranischem Recht eine wirksame (konkludente) Abtretung durch einen vertretungsberechtigten Gesellschafter/Geschäftsführer im Namen der Gesellschaft an den Gesellschafter darin zu sehen, dass der Gesellschafter Ansprüche der Gesellschaft persönlich geltend macht? Insbesondere: Kann die Abtretung auch konkludent erfolgen? Kennt das iranische Recht keinen Ausschluss von Insichgeschäften?
Antwort: Die Abtretung nach iranischem Recht richtet sich nach Art. 292 Ziffer 3 ZGB. Danach kann eine Forderung durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden. Der Abtretungsvertrag unterliegt grundsätzlich keiner Form und kann in Anwendung des Art. 193 ZGB auch konkludent erfolgen.
Ein allgemeiner Ausschluss von Insichgeschäften kennt das iranische Recht nicht. Es sind jedoch zum Schutze von Vertretenen vereinzelt Ausnahmen statuiert. Art. 129 HGB verbietet Insichgeschäfte zwischen Geschäftsführern bzw. einzelnen Vorstandsmitgliedern und der Gesellschaft, sofern der Vorstand der Gesellschaft in das Geschäft nicht eingewilligt hat. Im Falle einer Einwilligung sind die Aufsichtsratsmitglieder der Gesellschaft unverzüglich über die Einwilligung in Kenntnis zu setzen und die Einwilligung ferner der nächsten ordentlichen Gesellschafterversammlung vorzulegen. Das begünstigte Vorstandsmitglied bzw. der begünstigte Geschäftsführer hat bei der Abstimmung sowohl auf der Vorstandsebene als auch auf der Gesellschafterversammlung kein Stimmrecht. Nach Art. 130 HGB bleibt ein Insichgeschäft, das von der Gesellschafterversammlung nicht genehmigt wird, grundsätzlich im Außenverhältnis wirksam, verpflichtet jedoch im Innenverhältnis den begünstigenden Geschäftsführer bzw. das begünstigende Vorstandsmitglied und die einwilligenden Geschäftsführer und Vorstand zum Schadensersatz. Nach Art. 131 kann die Gesellschaft ein Insichgeschäft, das ohne Einwilligung des Vorstandes geschlossen und von der Gesellschafterversammlung nicht genehmigt wurde, anfechten.
Nach iranischem Recht ist eine konkludente Abtretung durch den vertretungsberechtigten Geschäftsführer im Namen der Gesellschaft an den Gesellschafter gem. Art. 292 Ziffer 3, 193 ZGB grundsätzlich wirksam. Art. 193 ZGB setzt eine übereinstimmend eindeutige auf den Vertragsschluss gerichtete Handlung der Vertragsschließenden für die Annahme des Vertragsschlusses durch konkludente Handlung voraus. Der Verfasser hat weder in der Rechtsliteratur Irans noch in der dortigen Rechtsprechung eine Ansicht gefunden, in der kraft der Geltendmachung einer Forderung durch eine verfügungsberechtigte Person zugleich auch eine Abtretung gesehen wurde.
Die Sollvorgaben in Art. 129 HGB entfalten zwar für die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts im Außenverhältnis keine Wirkung und sollen vordergründig den pflichtwidrig Handelnden zum Schadensersatz gegenüber der Gesellschaft verpflichten.